Hannah Sophie

freie Trisomie 18
geb. Mai 2004

Zuletzt aktualisiert: Juni 2005

Nach einer anfänglich völlig normalen Schwangerschaft, fing der "Ärger" bei uns ab der 30. SSW an.

Ich war zu diesem Zeitpunkt 35 Jahre alt und habe bereits einen gesunden Jungen von 5 Jahren. Nach Benedikt hatte ich allerdings eine Fehlgeburt mit der Diagnose einer Trisomie, die sich nicht mehr zuordnen ließ.

Ich bin selbst als Ärztin der Chirurgie tätig, und für mich kam eine Fruchtwasseruntersuchung nicht in Frage, da sie keine Konsequenz in Bezug auf eine Abtreibung gehabt hätte. Das sehe ich auch heute noch so, und würde mich bei einer weiteren Schwangerschaft genauso entscheiden.

In der 21. SSW wurde ein sog. Fehlbildungsultraschall gemacht, bei dem sich bereits die inneren Organe sowie das Gehirn des Kindes gut beurteilen lassen. Der Ultraschall ergab keinen Hinweis auf eine Schädigung des Kindes. Dies wurde dann in der 24./28./30. SSW wiederholt, jedes Mal ohne pathologischen Befund. Die Kleine (ich wusste von Anfang an, dass es ein Mädchen ist) wuchs bis hierhin altersentsprechend normal und war auch sehr lebhaft.

Mir selbst ging es bis auf die "normalen Schwangerschaftszipperlein" wie z.B. gelegentliche Rückenschmerzen etc. super, ich hätte Bäume ausreißen können - so ähnlich habe ich es auch getan. Wir haben Pferde zu Hause, d.h. täglich Stallarbeit und gelegentliches Ausreiten. Zudem zwei junge Hunde in der Ausbildung, meine 2/3-Stelle im Krankenhaus und natürlich Benedikt, der auch noch was mit Mama machen wollte - sozusagen den ganzen Tag auf Achse. Mein persönliches Indiz dafür, dass es der Kleinen gut ging, war, dass ich gleich mit einem kurzen "Tritt in die Rippen" belohnt wurde, wenn ich dann doch mal Ruh gegeben habe.

Der Ultraschall in der 30. SSW zeigte dann eine beginnende Wachstumsretardierung, d.h. dass das Kind zu klein für diese SSW war. Die Kontrolle eine Woche später zeigte das gleiche Ergebnis, sowie eine beginnende Verschlechterung der Durchblutungssituation für das Kind. (Hannah war allerdings genauso lebhaft wie vorher - Mama dafür etwas weniger!  )

Es erfolgte die Überweisung in die Uniklinik Giessen, da das Krankenhaus, in dem ich zu den Ultraschalluntersuchungen war, keine direkte Anbindung an eine Kinderklinik hatte.

Dort hat man mich dann auch gleich "verhaftet" und mich für eine Woche stationär zur "Ruhigstellung" aufgenommen. Eine medizinische Erklärung, warum die Kleine nicht mehr richtig wuchs, gab es auch jetzt nicht. Die inneren Organe, besonders das Herz, waren in Ordnung. Das Einzige, was zu diesem Zeitpunkt auffiel, war eine kleine Zyste im Bereich des Kleinhirns. Nach der Woche im Krankenhaus kamen ambulante Kontrollen im Zwei-Tages-Rhythmus in der Klinik. Zunächst verbesserte sich die Durchblutungssituation - dann gab es am 13.05.04 wieder eine Verschlechterung. Dem dortigen Oberarzt wurde "die Kiste jetzt zu heiß", wohl auch weil ich eine Kollegin war. Er und der Chef der Klinik rieten mir zu einem sofortigen Kaiserschnitt, was zu diesem Zeitpunkt auch richtig war, denn wenn die Durchblutung von der Mutter zum Kind nicht ausreicht, ist das Kind "draußen" erst mal besser aufgehoben.

Und so kam Hannah Sophie am 13.05.04 um 13:21 Uhr zur Welt, wog 1300g und war 37 cm groß.

Sie war sofort recht fit, musste nicht beatmet werden und brauchte keinen Sauerstoff. Sie konnte gleich im Brutkasten auf die normale Frühgeborenen-Station. Das Einzige, was objektiv bei ihr zu sehen war, waren die verkürzten Großzehen, und dass die zweite und dritte Zehe zusammengewachsen waren, sowie die typische Fingerhaltung bei der Trisomie 18. (Zeigefinger und kleiner Finger überkreuzen die beiden anderen). Aufgrund dessen wurde 1½ Wochen später eine Chromosomenanalyse durchgeführt, deren Ergebnis dann am Pfingstmontag kam, 2½ Wochen nach ihrer Geburt...

Wir waren gerade in der Klinik, als der Oberarzt uns sprechen wollte, um uns diese Diagnose mitzuteilen. Im ersten Moment hätte ich ihn fast "in der Luft zerrissen", und wollte es - wie viele von euch es wahrscheinlich auch kennen - überhaupt nicht wahr haben! Für mich sah sie so normal aus und nicht wie ein schwerst behindertes Kind. Und es ging ihr ja auch so gut.....!!!

Alles, was ich aus dem Studium zur Trisomie 18 noch wusste, war ein Dreizeiler mit dem Inhalt "völlig aussichtslose Prognose, schwerstbehinderte Kinder mit einer Lebenserwartung von wenigen Stunden bis Tagen".

Ich konnte es nicht verstehen, und wollte es vor allem auch nicht! (Der natürlich sofort durchgeführte Kontrolltest kam aber leider zu demselben Ergebnis.)

Am darauffolgenden Tag ging es Hannah dann plötzlich schlecht - warum, kann ich bis heute nicht genau sagen. Ich hatte sie auf dem Bauch liegen, als sie plötzlich blitzeblau wurde, den Kopf hob und mich mit riesigen "wissenden" Augen ansah. Alle Monitore schlugen Alarm, und das Pflegepersonal kam angerannt, um sie intensivmedizinisch zu behandeln. Ich habe dies aber nicht zugelassen. Wenn es denn so sein sollte, dann sollte dieses Kind hier und jetzt bei mir in meinen Armen sterben dürfen, ohne noch tagelang künstlich bei fraglichem Erfolg am Leben erhalten zu werden. Die Sättigung (der Sauerstoffgehalt des Blutes) ging runter bis auf unter 20% (normal 100%), aber irgendwann fing sie wieder an zu schnaufen und erholte sich etwas. Diese Anfälle wiederholten sich ca. alle 20 Minuten, und ich denke, viele von euch können ahnen oder wissen wie schrecklich es ist, sein sterbendes Kind in den Armen zu halten.

Gegen Abend entschlossen wir uns, sie nottaufen zu lassen. Während der Taufe - es war unglaublich zu sehen - ging es Hannah zusehends besser. Die Anfälle kamen in längeren Abständen, und die Sättigung ging nur noch bis auf 60% runter. Als hätte sie sich entschlossen, doch noch ein bisschen länger bei Papa und Mama zu bleiben.

Wir hatten mittlerweile ein Einzelzimmer und ich konnte Tag und Nacht bei ihr bleiben. Die Anfälle traten nur noch gelegentlich auf. Am Freitagmorgen gab es dann wieder eine kleine Verschlechterung und da stand es dann für mich endgültig fest - wir gehen heim! Wenn sie wirklich sterben soll, dann zu Hause! Die Schwestern packten uns ein "Carepaket" zusammen, dass wir über das Wochenende versorgt waren, mit Magensonden, Pampers, Kleidung (wer hat schon Kleidung für ein "1400g Püppchen" zu Hause...?!?!........)

Mit dem Zeitpunkt, als wir zu Hause waren, ging es nur noch bergauf!!!!!

Keine Monitore, keine Alarmglocken, kein Stationskrach - der Kleinen hat es unheimlich gut getan. An dieser Stelle kann ich nur sagen: "Holt eure Kinder so früh wie möglich nach Hause!" - Es ist kein Hexenwerk sie zu versorgen (auch mit Magensonde etc.)! Es ist alles relativ schnell zu erlernen, und es gibt ambulante Kinderkrankenpflegedienste, die euch unterstützen.

Und so makaber es sich auch anhören mag, ich habe mir immer gesagt "unser Kind ist durch diese Diagnose sowieso zum Tode verurteilt, was können wir da jetzt noch groß falsch machen...........?!"

Mit der Trisomie 18 habe ich mich das erste halbe Jahr überhaupt nicht beschäftigt, weder durch Bücher noch über das Internet. Ich habe einfach jeden Tag genommen wie er kam.

Wir haben zu Hause sofort begonnen, sie mit der Flasche zu füttern, was sie auch schnell lernte. Sie hat sich zwar häufiger verschluckt, aber sie kam zurecht. Den Rest der Trinkmenge haben wir ihr dann sondiert. Nach zwei Wochen war sie soweit, dass sie die komplette Trinkmenge trinken konnte. Nachdem sie sich dann selbst im satten, wachen Zustand die Magensonde zog, habe ich gedacht: "O.k., Kleine, wenn Du meinst, du brauchst das Ding nicht mehr, dann trink!" Und es klappte wunderbar!

Wir haben Hannah von Anfang an bewusst einfach so behandelt wie ein normales Baby. Ich habe sie überall mit hin genommen - mir blieb auch meistens nichts anderes übrig. Außerdem konnte sie sehr schnell deutlich machen, wenn ihr etwas nicht passte - ein Mädchen halt!!

Die Sorge, mit der man die ersten Monate einfach ständig lebt, dass das Kind versterben könnte, wich mit jedem Tag etwas mehr zurück. Es gab einfach nichts worüber wir uns Sorgen machen mussten! Sie trank gut - die Verdauung klappte ohne Probleme, sie nahm wöchentlich 100-200 Gramm zu - was konnten wir uns mehr wünschen?!

Nachdem wir dann den ersten halben Geburtstag gefeiert hatten, haben wir mit Breikost angefangen. Anfänglich hat sie sich etwas gesträubt, weil es ihr zu anstrengend war und es ihr oft nicht schnell genug ging. Aber auch das hat sie sehr schnell gelernt.

Mit acht Monaten hat sie dann alle Mahlzeiten vom Löffel gegessen und auch die Nahrungsumstellung ohne Probleme vertragen.

Für mich war das Schönste, als sie mit 5½ Monaten anfing zu lachen. Das war mein persönliches Ziel, ich wollte sie wenigstens einmal bewusst lachen sehen!

Und das tut sie - es ist soooo süüüß!!!

Als die ersten sechs Monate vergangen waren, fing ich dann doch mal an, im Internet zu stöbern und entdeckte die Seiten von "Leona".

Ich wollte einfach nur mal wissen, was uns denn alles so erwarten kann und wie es anderen Kindern geht, die dann doch entgegen aller Prognosen älter geworden sind. Was erwartet uns noch, und wie ist die weitere Entwicklung? Welche Organschäden haben die anderen Kinder?

Von alledem, was wir bisher in Erfahrung bringen konnten, scheint unsere Hannah ein kleines "Wunderkind" unter den T18'nern zu sein, wofür wir sehr dankbar sind.

Organisch hat sie lediglich eine ganz geringe Verengung der Ausflussbahn des Herzens zur Lunge hin (Pulmonalstenose), die aber keinen Einfluss auf ihr Befinden und Gedeihen hat, sowie zwei kleine Zysten am Kleinhirn, von denen man aber auch nicht weiß, was das evtl. mal für Auswirkungen haben kann.

Sonst hat sie noch eine Hufeisenniere links, die aber auch viele gesunde Menschen haben.

Hannah wird jetzt ein Jahr alt und wir sind glücklich, dass wir sie haben und es ist ein großes Geschenk, dass sie trotz dieser genetischen Diagnose so "normal" ist.

Wer sie und ihre Geschichte nicht kennt, hält sie für ein ganz "normales Baby", das jetzt, auf Grund der Größe und des Gewichts, vielleicht gerade ein halbes Jahr alt ist.

Unser Appell an alle, die dies jetzt lesen und vielleicht gerade vor der Entscheidung stehen, evtl. aufgrund der Diagnose Trisomie 18 nach einer Fruchtwasseruntersuchung ihr Kind abtreiben zu lassen: "Tut es nicht!"

Lasst den "Himmel" und/oder das Kind selbst entscheiden, ob es leben will oder nicht! Selbst wenn ihr es nur für einige Stunden in den Armen gehalten und es mal in "Farbe" gesehen habt (nicht nur schwarz/weiß im Ultraschall), werdet ihr - davon bin ich fest überzeugt - ein Leben lang besser damit umgehen können. Ansonsten müsstet ihr vielleicht immer mit dem Wissen leben, dass es vielleicht auch bei eurem Kind positiver verlaufen wäre, entgegen aller Prognosen.

Auch Hannah hat sich selbst für das Leben entschieden, aus der Kraft heraus die ihr gegeben wurde, und ich glaube, es könnte noch viel, viel mehr "kleiner Hannahs" geben, wenn man sie nur ließe...!!

Das erste Jahr ist geschafft - HURRAH!!

Der körperliche Entwicklungsstand von Hannah gleicht dem eines ca. 5 Monate alten Babys. Sie dreht sich selbst von rechts nach links und auf dem Rücken im Kreis, aber noch nicht auf den Bauch. Außerdem hat sie noch keine Kopfkontrolle. Seit ungefähr 2 Monaten hält sie Dinge richtig fest und fängt jetzt mit einem Jahr an, gezielt nach Gegenständen zu greifen.

Geistig kann ich bisher auch kein wirkliches Defizit feststellen. Sie sieht und hört gut, reagiert adäquat auf äußere Reize, lacht wie eine "Große" und kann auch absichtlich nicht reagieren, wenn sie keine Lust hat.

Mit der Ernährung hatten wir ebenfalls keine Probleme. Die ersten 4 Monate bekam sie Muttermilch, dann die Anfangsmilch von Humana. Ab dem 6. Monat haben wir sie langsam auf Breikost umgestellt.

Beim Trinken hat sie sich schon deutlich häufiger verschluckt als z.B. Benedikt in diesem Alter, aber sie hat dabei nie wirklich Luftprobleme bekommen. Die Verdauung hat immer gut geklappt. Der Stuhl ist natürlich mit der Breikost deutlich fester geworden, aber sie hat ihn immer alleine heraus bekommen.

Seit dem 4. Monat machen wir regelmäßig Krankengymnastik (Frühförderung), seit dem 7. Monat besuchen wir zusätzlich die Ergotherapie - mit dem Erfolg, dass sie seither ihre Händchen vollständig öffnen kann.

Durch ihr sonniges Wesen macht sie uns sehr glücklich und wir hoffen und beten, dass sie noch lange bei uns bleiben darf!!

Kontakt: Hannahs Eltern
Telefon: 0175 / 3525677

Zuletzt aktualisiert: Juni 2005

Kontakt

LEONA – Familienselbsthilfe bei seltenen Chromosomen- veränderungen e.V.

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